[Rezension] Roman/Erzählung/Autismus *** Die goldene Ananas *** sehr eingängig, anders und wirklich gut…

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Dennis Kornblum „Die goldenen Ananas“

TB, 580 Seiten, 17,99 Euro, ET: 08.12.2020
Danke für die Bereitstellung des Buches! Unbezahlte Werbung!
HIER findet ihr das Buch auf der Verlagsseite!

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Inhalt:

„Der junge Elias lebt seit fünfeinhalb Jahren in Wohnheimen für gemeindenahe Psychiatrie. Er hat die Diagnose Asperger-Syndrom und steht jeglichen Veränderungen ängstlich und grundsätzlich ablehnend gegenüber. Daher erfüllt es ihn eher mit Widerwillen, dass er nun in eine eigene Wohnung ziehen soll, in das Dachgeschoss eines Fünfparteienhauses. Hier geht es ihm anfänglich nur darum, möglichst seine Ruhe zu haben und seinen streng strukturierten Tagesablauf einzuhalten, der aus einer sechsstündigen E-Gitarren-Einheit, dem Konsum von Death-Metal-Alben, dem Schauen von Filmen und genau getimten Mahlzeiten und Zigarettenpausen besteht. Nach und nach werden jedoch die übrigen Hausbewohner auf ihn aufmerksam, und er kommt immer mehr in sozialen Kontakt, vor allem zu dem extrovertierten Endfünfziger Willi. Und plötzlich steht er vor ganz neuen Herausforderungen – Soll er es wagen, einer richtigen Band vorzuspielen? Die hübsche Kellnerin vom Café Auberge nach einer Verabredung zu fragen?
Vielleicht hat Willi ja recht mit der „goldenen Ananas“…“ (Quelle)

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Meine Meinung:

Ich arbeite seit 19 Jahren an einer integrativen Schule und kenne aus meinem Unterricht auch Kinder und Jugendliche, die eine Autismus-Spektrum-Störung haben. So habe ich schon sehr viele unterschiedliche Menschen und Ausprägungen kennengelernt. (von: keine Gefühle zeigen und verstehen, selbst Schmerzen zufügen, den Kopf an die Wand knallen, sich selbst beißen, Material zerstören, wenig bis gar keine Interaktion mit anderen Schülern, keine Partnerarbeit möglich, bei Nichteinhaltung der Rituale war kein Unterricht möglich, mechanische Wiederholungen – bis: im Laufe der Jahre „Humor“ erlernen, Ironie erkennen, Freundschaften eingehen und pflegen, mit anderen zusammenarbeiten, Gruppenarbeiten erledigen, Rituale verändern)

Erkannt habe ich, dass es viele verschiedene Ausprägungen gibt und man sich auf solche Kinder extrem einlassen muss. Rituale waren bei allen sehr wichtig und Ruhe. Lautstärke und Schreien wurde von allen nicht gemocht. Ich war also sehr gespannt, was mich in dieser autobiografisch angehauchten Geschichte runde um Elias erwarten würde. Würde ich einiges wiedererkennen oder würde ich mich auf ganz neuem Gebiet bewegen?

Am meisten Angst hatte ich davor, dass der Schreibstil doch eher abgehackt als flüssig und mitreißend sein würde, da das Verständnis für die Gefühle anderer und auch das Beschreiben eben dieser bei den meisten Betroffenen einer Autismus-Spektrum-Störung doch eher gering ausgeprägt ist.  

Wer meinen Blog schon länger kennt, weiß, dass ich Bücher über die Entwicklung eines Menschens tatsächlich selten bis nie lese. Dieses hier aber hat mich aufgrund der oben genannten Punkte (Bezug zu meiner Arbeit) sehr interessiert. Außerdem lese ich ebenfalls selten bis nie Bücher, die über 500 Seiten haben, da ich einfach ein sehr ungeduldiger Leser bin. Hier hatte ich auch Bedenken, dass ich mich zwischendurch langweilen könnte. 

Tatsächlich war es aber so, dass ich von der ersten Seite an in Elias Geschichte eintaucht bin und bis auf sich wiederholende Beschreibungen (das Thema Musik und Gitarrespielen wird sehr ausführlich behandelt) habe ich das Lesen sehr genossen habe. Ich bin froh, diesem Buch eine Chance gegeben zu haben, da es der Autor versteht, dem Leser die vorkommenden Charaktere vertraut zu machen. Ich habe mich auf alle Figuren einlassen können und es sind schon ein paar, die hier zu Wort kommen, da diese alle im Haus wohnen und Elias wohl oder übel Kontakt zu diesen haben muss. Manch einer bringt Elias Leben und Rituale gewaltig durcheinander und ich fand es sehr spannend zu lesen, zu welchen Veränderung dies führen würde. Das lag natürlich auch daran, dass Elias sowohl sympathisch als auch authentisch beschrieben wird. Man merkt beim Lesen auch, dass der Autor weiß, wovon er schreibt/spricht. Ich wollte unbedingt wissen, wie es Elias weiterhin ergeht und wie er sein weiteres Leben meistert. 

Das Ende des Buches war mir ziemlich schnell klar. Das war aber nicht schlimm, da hier die Entwicklung und der Weg dorthin im Fokus standen und ich außerdem tatsächlich von Elias und seinen neuen Bekanntschaften so angefixt war, dass ich wissen wollte, wie es mit ihnen allen weitergeht. Das ist wirklich eine Besonderheit dieses Buches, dass das große Ganze stimmt und die Figuren alle so eingängig sind und ihren eigenen Charme haben. 

Besonders hat mich natürlich das Auftauchen einer Katze gefreut und die Beschreibungen, was Elias mit dieser Katze erlebt. Der Name ist übrigens toll, vielleicht werde ich meine nächste Katze auch so nennen. 

Das Buch hat mich sowohl zum Schmunzeln als auch zum Nachdenken gebracht. Ich habe laut lachen müssen, habe aber auch über die ein oder andere Situation den Kopf schütteln müssen. Ich habe gestaunt und mitgefiebert, teilweise aber natürlich auch mit Unglauben reagiert. Ich habe beim Lesen wieder mal darüber nachgedacht, wie schnell man Menschen aufgrund ihres Verhaltens verurteilt, wie schnell man genervt ist, aber auch wie schön Vielfalt ist und was man von anderen Menschen lernen kann. Das Leben zu genießen, ist sicherlich ein Punkt, den ich mir nach dem Lesen mitnehmen werde!

Ich bin sicher, dass das Buch noch einige Zeit nachwirken wird. Elias Geschichte hallt einfach nach. In einer anderen Rezension habe ich gelesen, dass das Buch eine grandiose Vorlage für einen Film wäre. Das gebe ich der Verfasserin recht. Hier könnte man wirklich einen tollen Film draus machen. 

Ein etwas anderes Buch, auf das man sich einlassen muss, das aber dann seine Wirkung sicherlich nicht verfehlt. Da gebe ich dem Satz auf dem Buchrücken recht: 

„Präziser, authentischer Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Betroffenen des „Autismus light“ (Buchrücken)

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Weitere Rezensionen bei lesefieber.ch (nur das Fazit lesen! 9/10), bei Buchvogel (5/5) und bei Der Büchernarr (4/5). 

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